Erster Fahrbericht VW T6: In Summe ein neues Fahrgefühl

Bei der ersten Vorab-Ausfahrt des erneuerten Bestsellers summierten sich viele Feinheiten und Details zu einem deutlich verbesserten Fahreindruck. Zudem soll der T6 günstiger sein als der Vorgänger.
Neue Dynamik: Der T6 schaut zum Vorgänger optisch kaum verändert aus, fährt sich aber deutlich geschmeidiger. Im Bild das Basis-Kombi-Modell Caravelle Trendline. / Foto: Achim Hartmann/VW
Neue Dynamik: Der T6 schaut zum Vorgänger optisch kaum verändert aus, fährt sich aber deutlich geschmeidiger. Im Bild das Basis-Kombi-Modell Caravelle Trendline. / Foto: Achim Hartmann/VW
Johannes Reichel

Unglaublich, aber die VW-Verantwortlichen legen Wert auf die Feststellung: Der T6 soll tatsächlich preiswerter geworden sein, dem Vernehmen nach gut 1000 Euro, trotz Euro 6, das nur für den Motor betrachtet sonst 800-1000 Euro teurer gekommen wäre. Da brauchte es einen ganzheitlichen Ansatz, um die Euro-6-Kosten „überzukompensieren". Akribisch durchkämmten die VW-Ingenieure das gesamte Fahrzeug, immer auf der Suche nach Skaleneffekten und Einsparpotenzialen, ohne dass dies auf Kosten der Qualität geht.Ein paar Beispiele greift VWN-Chef Eckhardt Scholz heraus: Allen voran natürlich den Motor, der von den hohen Stückzahlen des Modularen Querbaukastens des Konzerns profitiert. Aber auch Kleinigkeiten wie das Multifunktionslenkrad (ebenfalls von den Pkw), Sitzbezüge (weniger aufwändige Designs bei gleicher Qualität), Türverkleidungen aus PVC statt Textil.

Drei Felder waren es, die die VW-Ingenieure in typischer preußischer Gründlichkeit beackerten: Exterieur, Motor&Fahrwerk, Interieur&Geräusch. Ersteres ist schnell abgehakt. Der karosserieseitig unveränderte (auch unverändert praktische) T6 reiht sich ein in die evolutionäre Designsprache des Hauses. Klar, der T6 steht mit den tiefer angesetzten Spiegeln und den stärker betonten Querlinien satter auf der Straße. Wichtiger ist aber, dass er nicht nur satter „steht“, sondern auch satter „fährt“ respektive auf der Straße liegt, was LOGISTRA anhand der Kombi-Varianten im Rahmen der letzten Abnahmefahrten überprüfen konnte. Für besseres Fahrgefühl sorgt vor allem die Feinarbeit am Fahrwerk, die auch ohne optionale dynamische Fahrwerksregelung DCC zur Geltung kommt. Auch die Standardabstimmung wirkt weniger polterig wie früher, man meint auch, weniger Tendenz zum Aufschaukeln zu bemerken. Die Lenkung spricht „irgendwie“ besser und gefühlvoller an, die Geräusche werden effektiver ausgesperrt. Oder ganz unterdrückt wie im Falle der feingeschliffenen Spiegel. Überhaupt rauscht man gut gekapselt und nicht viel weniger leise dahin als im neuen Vito, zumindest gilt das für die zur Verfügung stehenden Kombi-Versionen Caravelle und Multivan. Dazu trägt beim T6 vor allem der bereits vorgestellte, für die Nutzfahrzeugvarianten nicht unbeträchtlich umgerüstete und auf Dauerhaltbarkeit von mindestens 300.000 km getrimmte 2,0-Liter-TDI-Motor bei (jetzt 40.000 km Serviceintervall). [pagebreak]

Das gilt selbst wenn man das neue VTG-geladene Aggregat bei 1000 Touren durch die Ortschaft zuckeln lässt und anschließend Gas gibt. Kein Brummen, kein Schütteln, diese Gelassenheit in einem bisher nicht gerade für Laufkultur berühmten VW Transporter imponiert. Im Gegensatz zu früher, ist es umgekehrt auch kein Lärm, der beim willig und mit Biss absolvierten Hochdrehen aus dem Motorraum dringt. Eher ist es ein Klang von fast sportiv-sonorer Note, beim 140-PS-Modell noch mehr als beim 102-PS-Klassiker. Getoppt wird das noch vom Biturbo-Überflieger mit 204-PS, sozusagen VWs „Airbus“, der klingt, als habe VW „Soundtuning“ betrieben. Letzteres bestreiten die Verantwortlichen, das sei einfach der anderen Abgasströmung durch die Biturboaufladung geschuldet.

Die Laufruhe ist auch beim klassischen 102-PS-Modell ein Vorteil, das aus Kostengründen nur über ein gut gestuftes Fünf-Gang-Getriebe verfügt und das auf der Autobahn daher Drehzahlen von 2500/min bei 130 km/h zu gewärtigen hat. Laut wird der Motor dabei nie, er schnurrt recht zufrieden dahin. Auch ansonsten ist das ein Aggregat, das durchaus die Bezeichnung Dreistufen-Automatik verdient hätte. Nach dem wie versprochen tatsächlich deutlich geschmeidigeren Anfahren ohne rupfende Kupplung oder abgewürgtem Motor und dem Wechsel direkt in Stufe drei, kann man zügig die oberste Fahrstufe aufsuchen und dann drin lassen. Ohne Murren absolviert der Motor Ortsdurchfahrten, rettet sich anschließend mehr als beachtlich aus dem Drehzahlkeller und durchmisst so die Bandbreite von 50 bis 150 km/h anstandslos und wie am Gummiband. Instinktiv sucht man bei höherem Tempo allerdings nach einer sechsten Stufe, siehe oben.

Die bietet dann die „Mehr-braucht-kein-Mensch“-Motorisierung mit 150 PS, ein Fall für Autobahnanwendungen und etwaigen Gespanneinsatz. Der lang ausgelegte sechste Gang senkt das Drehzahlniveau spürbar - bei 130 km/h sind es etwa 1900/min. Ansonsten fühlt sich der Motor an, wie früher das Top-Aggregat: Souverän und lässig schüttelt er seine 150 PS aus dem Ärmel und beschleunigt, wenn es sein muss, entschlossen durch. Die formal zum Vorgänger identischen 340 Nm an Drehmoment fühlen sich deutlich agiler an. Dass nicht nur mit serienmäßigem Start-Stopp-System an Bord die reklamierten Verbräuche von im Minimalfall 5,5 l/100 beim 75-kW-Blue-Motion-Kombi nicht illusorisch sind, dafür verbürgt sich der Chef persönlich. Beim gefahrenen 75-kW-Kombi ohne Bluemotion-Spritsparpaket (Tieferlegung, Leichtlaufreifen, Rekuperation) wies der Bordcomputer über 150 km schon mal vielversprechende 6,6 l/100 km aus. VWN denkt darüber hinaus nach dem Vorbild des Caddy City über ein abgespecktes spezielles Stadt-Modell mit Tempobegrenzung nach. Und über so manches andere, von Erdgas bis Elektro …Einziger Wermutstropfen, im wahrsten Sinne des Wortes: Die im Display angezeigten 6500 km Restreichweite bis zum nächsten Adblue-Tanken, die einen nicht gerade fröhlich stimmen. [pagebreak]

Apropos abgespeckt: Dass weniger mehr sein kann, erweist sich im Falle des renovierten Interieurs. VW hat die Distanz zwischen der Armaturenlandschaft des edlen Highline-Caravelle und Multivan mit ihren Klavierlack-Klappdeckelfächern und dem schlichteren Nutzfahrzeugpaneels deutlich vergrößert. Praktischer ist aber eindeutig das Armaturenbrett der Nfz-Variante. Hüben wie drüben bekommt man unterschiedslos besser gepolsterte Sitze.

Generell ist die Kombination 75 kW und schlichte Ausstattung - in diesem Falle der Basis-Caravelle Trendline - das Modell, das die VW-Transporter-Tugenden am besten auf den Punkt bringt: Ein allürenfreies, leicht zu bedienendes Vehikel für alle Tage. Das im Zweifel ganz gut auf einen aufpasst: Die Bremsen packen verlässlicher und schneller zu, Handling und Kurvenlage sind narrensicher, einmal blitzt aus dem Hintergrund kurz der optionale, aber empfehlenswerte Umfeldbeobachtungssystem „Front Assist“ durch, als ein Motorroller spontan den Weg kreuzt. Immer mit an Bord ist die Multikollisionsbremse, die nach einem etwaigen Crash Folgeunfälle per Bremseingriff unterbindet und um die man weiß, aber deren Funktion man aber lieber nicht in Anspruch nimmt.

Dass man den T6 vom Lastesel dann hochrüsten kann bis hin zum über 200 km/h schnellen 204-PS-Highline- und Hightech-Boliden mit verstellbarem Fahrwerk, Leder-Velours-Orgien und Doppelverglasung, LED-Hauptscheinwerfer, fast geschenkt. Klar sind Systeme wie der Totwinkelwarner - etwas zu dezent per Lichtsignal anmerkend - oder der im Notfall bis hin zum Bremseingriff schreitende Abstandstempomat (ACC) - nah dran am „autonomen Fahren“ - faszinierende und empfehlenswerte Technologien (siehe Fahrbericht VW Caddy auflogistra.de). Wenn man nicht häufiger auf der Autobahn unterwegs ist, sind sie aber unter Umständen lässlich, weil preistreibend: Den "Front Assist" gibt es anders als beim kleinen Bruder VW Caddy beispielsweise nur in Verbindung mit ACC (930 Euro).

Womit man beim spannenden Thema wäre: Der T6 ist schon in der Basis ein sehr sicheres, gut ausstaffiertes und nicht zuletzt sparsames Auto mit konsequent umgesetzter „State-of-the-Art“-Abgasgtechnologie, das nicht zuletzt beim Preis erfreulich Maß halten soll. Ob letzteres tatsächlich gelingt, muss man aber abwarten: Die Nutzfahrzeugversion startet zwar bei 20.990 Euro in die Liste, allerdings für den alten 62-kW-TDI in Euro 5 Plus. Und im neuen Gewand, es mag noch so dezent geliftet sein, einen alten Motor, das ist in Anbetracht des Fortschritts unterm Blech nicht zu empfehlen. Dass er sozusagen den „Pelz nach Innen“ trägt, ist zumindest für ein Nutzfahrzeug keine schlechte Eigenschaft. Mehr zum neuen T6 in den nächsten Ausgaben von LOGISTRA und Transport. Hier geht's zur Bildergalerie:logistra.de