LOGISTRA & Transport: Kipper-Vergleichstest mit MAN & Daimler-Fahrzeugen: Showdown in der Grube

Jeder gegen jeden: Bei unserem großen Kipper-Vergleichstest treffen zwei Kipper-Zugmaschinen mit unterschiedlichen Konzepten auf vier Rundmulden-Hinterkipper.

Symbolbild LOGISTRA (Foto: T. Schweikl)
Redaktion (allg.)

Zwei Kipper-Zugmaschinen, vier Rundmulden-Hinterkipper und viel Dreck in der Schottergrube – über vier Tage hinweg haben LOGISTRA und ihre Schwesterzeitung Transport beim großen Kipper-Vergleichstest den Fahrzeugen hinter die glänzende Lackierung geschaut.
Eigentlich sollten es ja vier Zugmaschinen sein – passend zu vier Rundmulden-Hinterkippern von Fliegl, Kögel, Meiller und Schmitz Cargobull. Letztlich waren aber nur MAN und Daimler in der Lage, zum angepeilten Zeitpunkt der Ausschreibung entsprechende Fahrzeuge zu schicken: Aufgerufen waren 4x2-Sattelzugmaschinen der Klasse 440/450 PS. Sie sollten der „N3G“-Bauweise entsprechen, also etwas erhöhte Bodenfreiheit bieten, dazu eine Kabine, die von der Tiefe her eine Ruheliege ermöglicht.
 

On/Off geeignet
Ob klappbar oder fest eingebaut, blieb freigestellt. Auch die Frage, ob einfach übersetzte Hypoidachse, wie im Fernverkehr üblich, oder eine doppelt übersetzte Außenplaneten-Hinterachse, ließen wir offen. Der Schwerpunkt des Tests sollte der Straßenbetrieb sein, mit Eignung für das Befahren leichten Geländes in Gruben mit Wegebau. Solche Züge werden überwiegend im Straßenbau eingesetzt, mit Sand, Schotter, Kies und Bitumen als bevorzugte Frachten. Kein Allrad, kein Hydrodrive. Entsprechend wurden auch die vier Auflieger als Dreiachser mit erster Liftachse spezifiziert.

Dass man das Thema unterschiedlichen angehen kann, belegen die Antriebskonzepte der beiden Marktführer in diesem Segment. Daimler wählte beim Arocs eine relativ lang übersetzte Straßenachse mit Einfach-Übersetzung, MAN schickte den TGS mit Außenplaneten (AP)-Achse. Letztere überlässt die Gesamtübersetzung nicht alleine dem zentralen Kegelgetriebe, sondern gibt einen Teil der Momente an Planetengetriebe um die Radnaben ab. Das hat den Vorteil, dass relativ hohe („kurze“) Übersetzungen auf zwei Getriebe verteilt werden können. Das zentrale Achsgetriebe baut dabei schön schmal, was der Bodenfreiheit entgegenkommt. Zudem werden die Drehmomente, die auf die Zahneingriffe wirken, reduziert. Diese Lösung ist die robustere: Sie verträgt Stöße und Drehmomentspitzen leichter als die einfach übersetzte Achse und ist fürs Gelände die richtige Wahl.

Auf der Straße wird die einfach übersetzte Achse des Arocs freilich verlustärmer laufen, weil weniger Zahnradeingriffe die Reibung klein halten. Die unterschiedlichen Verbrauchswerte (7,6 Prozent über die Gesamtrunde zu Gunsten des Arocs) gehen weitgehend auf das Konto der Antriebsstränge.
Zu der doppelt übersetzten Antriebsachse des MAN gesellte sich zudem die zwölfstufige AS-Tronic mit ins Schnelle übersetztem höchstem Gang. Wie die Werte zeigen (vgl. Kasten Ergebnisse) zieht der MAN auch dadurch den verbrauchstechnisch den Kürzeren: Auf der Autobahn, weil hier im höchsten Gang gefahren wird (viele Zahneingriffe), auf der Roll-Landstraße, weil hier der Daimler seinen direkt übersetzen 12. Gang besser nutzen kann als der MAN, der oft im ebenfalls direkt übersetzten elften Gang bleibt und höhere Drehzahlen produziert.

Dafür zeigt sich der MAN agiler und vor allem schneller, wenn bergige Topographie ins Spiel kommt. Sowohl die hügeligen Autobahnabschnitte der A9 zwischen Ingolstadt und Altmühltal sowie den Kindinger Berg als Sonderprüfung spult der Münchner schneller und in aller Regel einen Gang höher ab. Und das macht er um einiges komfortabler als der Daimler. Die dreifach gefederten Acht-Tonnen-Achsen der Konkurrenten arbeiten unterschiedlich: Der Mercedes nimmt jede Querfuge auf und leitet sie gut hör- und spürbar ins Kabineninnere. Während der MAN wie auf Schienen läuft, muss man den Geradeauslauf des Arocs permanent und konzentriert korrigieren.

Die Stunde des Actros schlägt allerdings bei der Verknüpfung von Tempomat-, Brems- und Eco-Roll-Funktionen: Daimler beherrscht dieses Spiel mit ausgesprochener Präzision. Kein Wunder: Ober- und Unterschwinger sind frei programmierbar und werden durch den sanft einsetzenden, sekundär angesteuerten Wasser-Retarder von Voith auf den Punkt angesteuert. Das ergibt lange, fein ausgesteuerte Schwungspitzen auf den Autobahn-Gefällen. Und sogar auf der Landstraße macht dieses feine Zusammenspiel nur Freude.
 

Unflexibler Tempomat
MAN hat in dieser Disziplin Defizite. Eco-Roll oder frei einstellbare Hysteresen kennt der TGS nicht, sein Tempomat arbeitet mit längst überholten Funktionen. Dazu kommt, dass der Computer selbst dann eingreift, wenn man bestimmte Situationen manuell schalten möchte. Zudem kam es mehrmals zu unerklärbaren Rückschaltungen: Etwa wenn nach einer leichten Beibremsung der Retarder wieder auf null zurück getastet wurde und dadurch plötzlich zwei Gänge heruntergeschaltet wird. Gerade so als wolle man das Maximum an Motorbremswirkung erzielen, obwohl man eigentlich nur wieder rollen will. Dazu kommt, dass der MAN mit seiner fest eingestellten Bremsgeschwindigkeit von „plus drei km/h“ (Hysterese) nur sehr begrenzt in der Lage ist, Schwungspitzen im Tempomat-Modus auszunutzen. Bei 84 km/h setzt der Retarder zu früh ein, zudem schaltet die Automatik stets zurück, damit der drehzahlabhängige, primär montierte Wasserretarder („Pritarder“) ordentlich arbeitet. Kurzum: Der MAN ist derzeit der einzige Lkw, den man lieber „händisch“ fährt, um einen geschmeidigen Lauf hinzubekommen.
Trotz der unterschiedlichen Antriebsstränge schenken sich die beiden nichts in Sachen Traktion. Vor allem das Verhalten bei Leerfahrt ist auf steilen Zufahrtsrampen von Interesse. Beide haben hier keine Probleme und packen den langen Testanstieg ohne Einlegen der Differenzialsperren.
Fazit für die Sattelzugmaschinen: Für einen „Straßenroller“ ist die von Mercedes gewählte Konfiguration vorteilhafter. Die Verbrauchsvorteile sind in ihrer Größenordnung deutlich, der Geschwindigkeitsnachteil in bergiger Topographie aber auch. Der MAN besticht durch seinen robusten Antriebsstrang bei gleichzeitig deutlich besserem Kabinenkomfort, verliert aber in Sachen Fahrbarkeit durch seine zu schwach vernetzten Assistenzysteme Tempomat und Brems-Tempomat. Zudem fehlt ihm nach wie vor ein Freilauf (Eco-Roll) zur Minimierung des Verbrauchs. Weitere Erkenntnis: Die leichte 4x2-Sattelzugmaschine hat das Zeug zur veritablen Kipper-Zugmaschine, solange kein wirklich schweres Terrain zu meistern ist. Ihr Gewichtsvorteil im Vergleich zum 6x4 oder 4x4 kommt voll der Nutzlastoptimierung zu Gute.
 

Die Kippsattel:
 

Vier für die Baustelle
Wie schon bei den Sattelzugmaschinen waren auch für die Kipper weder eine ausgeprägte Geländetauglichkeit noch hohe Überlastreserven für den überwiegenden Einsatz auf öffentlichen Straßen gefragt - Leichtbau war also durchaus erwünscht. Eine Plane zur Abdeckung der Ladung ist bei solchen Einsätzen sogar Pflicht. Wir forderten daher gleich, die Rundmulde möglichst mit einer elektrischen Schiebe- oder Rollplane auszustatten. Weitere Vorgaben waren: erste Achse liftbar, montierte Hubstützen, die automatische Absenkung beim Abkippen und einen klappbaren Unterfahrschutz. Dieser und die abschaltbare Absenkung sind Voraussetzung für den Fertiger-Betrieb im Straßenbau und praktisch Serie bei allen Kippern dieser Klasse.

Alufelgen waren erlaubt, schließlich spart jedes Rad im Vergleich zur Stahlfelge rund 20 Kilo – das läppert sich.
Und wir forderten die große 28-Kubik-Mulde, die drei unserer vier Konkurrenten mit der 7,3 Meter langen und knapp 1,7 Meter hohen „Halfpipe“ realisieren. Meiller muss mit 1,8 Meter Laderaumhöhe ins Rennen gehen. Sehr früh verringert die „Leichtbau-Rundmulde MHPS 43/3“ ihr Volumen im unteren Bereich, so dass höher gebaut werden muss. Auch der Ladungsschwerpunkt wandert bei dieser Bauweise nach oben, was unerwünscht ist.
 

Anderer Bauchumfang
Für das Gegenteil steht der Fliegl „Stonemaster light Green“. Er versucht seine 28 Kubikmeter Volumen mit mehr Länge (7,6 Meter) und einem bauchigen Querschnitt zu erreichen. Oben misst er 233 cm in der Breite, in der Mitte des Querschnitts 240 cm. Die Rundmulde ist zudem vorne auf jeder Seite rund fünf Zentimeter schmaler als hinten. Der Trick soll die Ladung leichter abrutschen lassen.

Leider hat Fliegl für den Test versehentlich eine nur 26,4 Kubikmeter große Mulde geschickt. Die richtige Mulde hätte 15 cm mehr Innenhöhe (160 cm) haben müssen und wäre um die 300 kg schwerer. Damit wäre Fliegl immer noch 200 Kilo leichter als Schmitz, 100 Kilo leichter als der Kögel und 20 Kilo leichter als Meiller. Grund hierfür dürften die fünf CD-großen Löcher im Rahmensteg über den Achsen sein. Wie der Kögel-Trailer steht der Fliegl Stonemaster light auf SAF-Achsen mit 120-mm-Rundrohren. Luftleitungen und Kabel sind sauber und sehr hoch im Rahmen verlegt, das EBS-Ventil ist nicht an einem Querträger sondern direkt am großen 140-Liter Luftkessel für die Bremsen befestigt, alle anderen Ventile sitzen gut geschützt hoch im Längsträger.

Die Bremsleitungen sind leider nicht bis ganz zum Bremszylinder mit Plastik-Wellrohr gepanzert. Typisch an den SAF-Achsen sind die tief im Lenker versenkt eingebauten Bremszylinder. Fein: ein direkt am Bremszylinder festgeklemmter Bolzen dient im Notfall als Werkzeug zum Lösen einer durch Druckverlust fest sitzenden Bremse.
 

Beschädigung möglich
Der Kögel erinnert mit seinen dicht gesetzten Schrauben und Nieten-Reihen an ein U-Boot. Doch die Schraubenorgie ist der Clou: Der Oberbau, die geschweißte Wanne sowie das Heckportal sollen sich so nach Beschädigung oder Verschleiß leicht tauschen lassen. Ein Blick aufs Chassis zeigt eine ähnliche Verschlankung des Rahmens in Richtung nach vorne wie der Fliegl. Der Unterboden des Kögel wirkt deutlich weniger aufgeräumt als bei der Konkurrenz. Die Zuleitungen für die Bremsen baumeln schräg und ohne Panzerung zu den Bremszylindern aus der Mitte. Luft und Strom von vorne kommt in einem mittig, mit Kabelbindern grob befestigten Hauptstrang zum EBS-Ventil. Bei den Luftkesseln entschied sich Kögel für drei 60 Liter-Alu-Behälter, die längs nebeneinander platzsparend im Rahmen sitzen.

Der hohe Schwerpunkt des Meiller erweist sich im Test für die Fahreigenschaften als bedeutungslos. Und die für den besonders niedrigen Fliegl propagierten „höheren Kurvengeschwindigkeiten“ wollten wir schon aus Sicherheitsgründen nicht ausprobieren. Das Heck beim Meiller schließt diesmal eine innenliegende Klappe mit kurzer Schurre und voll versenkten Klapphaken ab. Im Unterboden gefällt die geschützte Unterbringung der Brems- und Funktionsventile tief im Querträger über der zweiten Achse. Die Liftachse (BPW) wird bei Meiller nicht mit einem Luftbalg nach oben gedrückt sondern mit einem Membranzylinder. Die Reifen der ersten Achse werden so nur 95 mm über die Fahrbahn gelupft.

Auch der Schmitz Cargobull (SCB) kam mit innenliegender Heckklappe und kurzer Schütte. Letztere bietet aber eine breitere Schüttkante als der Meiller, so dass das Schottern von Wegen leichter fallen dürfte. Der SCB hat die quaderförmigste Mulde in der Konkurrenz: Hohe, glatte Seitenwände, kleiner Radius zur Wanne, maximales Volumen für die Außenmaße. Besonders gefallen die verzinkten Anbauteile: Unterfahrschutz, Verriegelungshaken, Hecklampen-Schutz und sogar die Halter für die Kotflügel-Halbschalen und Positionslampen sind verzinkt und wirken dadurch besonders solide.

Im Untergeschoß fallen zuerst die dicken Rundrohre der hauseigenen Rotos-Achsen auf. Dazu glänzen die Bremsscheiben dem Betrachter entgegen. „Der Schmutz“, sagt SCB-Techniker Paul Stadler, „kann dann auch leicht wieder raus.“ Gut so, denn die Bremsleitungen sind zwar schön an der Seite hochgeführt und mit Wellschlauch gepanzert, die Bremszentrale ist hier aber mehr der Verschmutzung ausgesetzt als bei den anderen.

Die Kippzeiten ermittelten wir mit dem MAN TGS 18.440 und den vier leeren Brücken, weil die Beladung für die Kippzeiten nicht relevant ist. Dabei schafften die Konkurrenten die Fahrt bis zum oberen Totpunkt ohne große Unterschiede. Mit im Mittel 33 Sekunden war der Meiller der schnellste, der SCB mit 42 Sekunden der langsamste (vgl. Tabelle). Schnelles Aufkippen ist dann relevant, wenn es darum geht, schlecht abfließendes Material schnell aus der Mulde zu bekommen.
Je langsamer die Brücke hoch geht, umso instabiler kann die Situation werden, wenn sich das Material nicht löst. Beim Absenken hat der Meiller abermals die Nase vorn und setzt sich mit 30 Sekunden von den Mitbewerbern ab, die zwischen 37 und 40 Sekunden benötigen.

Spannend war, wie weit sich die Kippkante des besonders niedrigen Fliegl-Aufliegers dem Boden nähern würde. Während die anderen drei zwischen Boden und Heckkante Platz für 63 bis 69 cm hohe Brocken lassen, bleibt ihm nur ein Freiraum von 54 cm. Für normales Schüttgut ist das sogar ein Vorteil, fließt doch weniger Material zurück Richtung Lampen und Unterfahrschutz. Luxus für alle Kipper-Piloten ist das elektrische Schiebe-Dach am Auflieger, egal ob Schiebeplane oder quer laufende Rollplane. Allerdings nur, wenn sie funktioniert. Kompatibilitäts-Probleme zwischen Zugmaschine und Trailer sind nicht selten und traten auch bei unserem Test auf. In weiser Voraussicht hatten die Techniker ein Kabel vorbereitet, um die Batterie der Zugmaschine zur Schiebadachsteuerung direkt anzuzapfen.
 

Passende Öffnungszeiten
Besonders schnell läuft es mal wieder bei Meiller: In 17 Sekunden ist das Marcolin-Dach auf, in abermals 17 Sekunden wieder zu. Das sind 25 Prozent schneller als der Mainstream (Cramaro Cabriolè) bei Fliegl und Kögel (45 bzw. 46 Sekunden) und 37 Prozent schneller als die Rollplane von SCB (Revoplan).

Bei den voll beladenen Messfahrten zeigten sich keine Auffälligkeiten im Nachlauf oder im Wankverhalten. Vor allem die Rollplane von Schmitz sitzt schön stramm, so dass der Wind kaum Angriffsfläche findet. Ob nun der Fliegl-Auflieger mit seinen abgeschrägten Ecken wirklich aerodynamisch günstiger läuft, müsste ein eigner Test klären. Bei den Verbrauchsfahrten auf der Autobahn Schnitt der Fliegl teilweise zumindest sehr gut ab.
Robert Domina

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel LOGISTRA & Transport: Kipper-Vergleichstest mit MAN & Daimler-Fahrzeugen: Showdown in der Grube
Seite | Rubrik