MAN Euro-6-Motoren: Längere Übersetzung & hochkomplexe Abgasreinigung: Elegante Erscheinung

Facelift für die MAN-Baureihen TGL, TGM und TGX: Die überarbeiteten Euro-6-Motoren vermitteln auf den ersten Proberunden Kraft und beste Fahrbarkeit.

Symbolbild LOGISTRA (Foto: T. Schweikl)
Redaktion (allg.)

Ein Blick auf den Drehzahlmesser verrät es: Die neuen Euro-6-Motoren von MAN sind ebenfalls länger übersetzt. Bei Tempo 85 liegen jetzt nicht mehr 1.300, sondern nur noch knapp 1.200 Touren an. Die Absenkung ist typisch für die neuen Motoren quer über alle Fabrikate. Denn wer sauberste Abgase will, braucht heute mehr als die berühmte „Chemiefabrik“ im Abgasstrang. Die Kat-Box ersetzt den großen Auspufftopf, in ihr laufen hochkomplexe Reinigungsvorgänge ab. Das Abgas durchströmt dabei (in dieser Reihenfolge) Oxi-Kat, Partikelfilter, AdBlue-Einblasung, NOx-Reduktionskat und schließlich den Ammoniak-Sperrkat, der den stechenden Ammoniak-Geruch bei kalter Maschine beseitigt.

Innen wenig Neues
Unser 480-PS-TGX, den wir als Erstes über die kurze Proberunde im Münchner Nordwesten bewegen, kurbelt mit etwas über 1.150 Umdrehungen bei 84 km/h Autobahngeschwindigkeit. Das bedeutet praktisch einen halben Gang Drehzahlabsenkung im Vergleich zu den Euro-5-Vorgängern. Akustisch geben sich die Sechszylinder weiterhin ausgesprochen zurückhaltend. Die MAN-Sattelzugmaschinen gehören seit jeher zu den leisesten Vertretern ihrer Zunft und behaupten dieses Prädikat auch mit Euro-6-Standard. Als „Special“ verfügt unser TGX 18.480 über eine luftgefederte Vorderachse, die nicht nur ausgesprochen genau spurt, sondern auch ohne zu trampeln über die frostgeschädigten Bundesstraßen des Dachauer Mooses gleitet. In der TGX-Kabine hat sich wenig bis gar nichts verändert. Armaturenträger und -brett haben die alte Form, hier ist jetzt eine Einlage in „Alu gebürstet“ und dort der Kunststoff vielleicht ein wenig matter als vorher.
Ähnliche Erfahrungen machen wir mit dem 440er TGX in „Efficient Line“-Aufmachung. Äußerlich sind die auf Effizienz getrimmten Trucks an der fehlenden Sonnenblende zu identifizieren. Weitere Maßnahmen wie rollwiderstandsarme Reifen, Alu-Räder und -Luftkessel, besonders effizient arbeitende Nebenaggregate wie Luftpresser mit APM (Air Pressure Management) und Reifendruckkontrolle, vor allem aber die Begrenzung auf 85 km/h zählen eher zu den inneren Werten. Am wenigsten sichtbar, gleichwohl aber die wichtigste Änderung, ist die Motorisierung: Während in Euro 5 für diese Leistungsklasse der nur 10,5 Liter große „D20“-Sechszylinder zum Zuge kam, greift MAN für Euro 6 nun auf den mit 12,4 Liter Hubraum größeren „D26“-Sechszylinder zurück.

Kaum manuelle Eingriffe
Auf den ersten Blick ist das schade, denn der kleine Motor galt in der 440-PS-Klasse lange als Messlatte, was Verbrauch und Fahrbarkeit anging. Auf den zweiten Blick fährt sich der Neue auch nicht viel anders. Das Drehmoment blieb mit 2.100 Nm gleich, nur dass es nun bereits bei 930 Umdrehungen statt bei 1.000 anliegt. Auch schalttechnisch hat sich nichts getan. Nach wie vor sortiert die bewährte Tip-Matic mit schnellen Gangwechseln die zwölf Gänge. Zielsicher arbeitet sie, manuelle Eingriffe am Lenkstockhebel bleiben selten. Wie Iveco und DAF wartet auch MAN auf die neuen ZF-Getriebe.
Stillstand herrscht dagegen offenbar bei der Vernetzung der Bremsfunktionen. So regelt den automatisch einsetzenden Bremsbeginn bei Tempomatfahrt nach wie vor eine fest eingestellte Hysterese von vier Stundenkilometern. Das mag für 85 km/h Marschgeschwindigkeit eine automatisch erzielbare Schwungspitze von 89 km/h bedeuten. Wer aber langsamer fährt – und das tun inzwischen viele – verschenkt so wertvolle Schwungenergie bergab. Wer schneller fährt, muss manuell eingreifen, um die 90 km/h nicht zu überlaufen. Andere Hersteller sind da weiter – auch was die Verfügbarkeit eines vorausschauend agierenden GPS-Tempomaten betrifft. „Wir sind dran, der kommt nächstes Jahr“, heißt es seitens MAN.

Notbremsen ab Juli
Immerhin können die Münchner ab Juli 2013 den Notbremsassistent „MAN Emergency Brake Assist“ (EBA) für die neuen TGX und TGS anbieten. Die logische Erweiterung des „Adaptive Cruise Control“ (ACC) bremst im Notfall auch ohne Zutun des Fahrers und kann so folgenschwere Auffahrunfälle verhindern. Pflicht wird der Notbremsassistent ohnehin ab November 2015.
Auch die leichte und die mittelschwere Baureihe TGL und TGM profitieren von der Neuauflage. Kamen die Motoren – drei Vierzylinder und ein Sechszylinder – mit Euro 5 noch ohne AdBlue aus, geht bei Euro 6 auch bei den kleinen 4,6- und 6,9-Liter-Aggregaten nichts mehr ohne SCR-Kat und Partikelfilter. Auch bei den „kleinen“ MANs gelang die Integration der Katalysator-Filter-Einheit recht kompakt. In das Interieur des TGL zog nun das komplette Armaturenbrett des TGX ein und verströmt aufgeräumte Gediegenheit. Kein Zweifel, die TGL 7,5- und 12,0-Tonner gewinnen durch die Vereinheitlichung im Armaturenbereich.
Die Umstellung auf Euro 6 scheint nach diesen ersten Testfahrten gelungen. Auf die Anwender wartet viel „Drehmoment unten rum“. Die Zurückhaltung in Sachen fortgeschrittener Fahrer-assistenzsysteme wie GPS-Tempomat, Eco-Roll und fei wählbarer Hysterese verwundert allerdings. Selbst DAF konnte sich zur Vorstellung seiner Euro-6-Motoren letztendlich mit freiem Rollen und wählbarer Hysterese anfreunden. Robert Domina

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel MAN Euro-6-Motoren: Längere Übersetzung & hochkomplexe Abgasreinigung: Elegante Erscheinung
Seite | Rubrik