EU-Verordnung VO (EG) Nr. 2320/2002: RegB und sichere Lieferkette für Luftfracht schaffen: Luftsicherheit: Verwirrter Versender

Die am 29.04.2010 in Kraft gesetzte EU-Verordnung gibt Luftfrachtversendern neue Regelungen vor und sorgt somit für allgemeine Unsicherheit.

Symbolbild LOGISTRA (Foto: T. Schweikl)
Redaktion (allg.)

Die Anschläge auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 führten auch innerhalb der europäischen Union dazu, die Luftsicherheit intensiver zu betrachten. Als direkte Folge der Tragödie trat die VO (EG) Nr. 2320/2002 in Kraft. Recht schnell und deutlich zeigte diese jedoch einige Schwächen. Mit der Verordnung wurden der sogenannte Reglementierte Beauftragte (RegB) und die „sichere Lieferkette für Luftfracht“ geschaffen. Speditions- und Logistik-, Express- und Kurierun-ternehmen, aber auch Flughäfen konnten bei nachgewiesenen Voraussetzungen die Zulassung zum Reglementierten Beauftragten des Luftfahrt-Bundesamtes erlangen und damit Luftfracht von ihren Kunden, den „bekannten Versendern“, als „sicher“ bei den Luftfahrtunternehmen anliefern. Wenn diese ihnen mittels eines Formulars, der Sicherheitserklärung, bestätigten, dass die jeweiligen Sendungen bereits in ihrem Verantwortungsbereich sicher und manipulationsfrei behandelt wurden, sparte das Kontrollen und damit Zeit. Sofern sie jedoch bei einem Kunden feststellten, dass die Luftfracht nicht entsprechend der Erklärung behandelt wird, sollten sie den Status des bekannten Versenders aberkennen und deren Sendungen (kostenpflichtig) kontrollieren lassen. Problematisch war, dass der als „unsicher“ festgestellte Kunde dann einen anderen der zirka 650 Reglementierten Beauftragten an 1.600 Standorten wählen konnte, der ihn möglicherweise wieder anerkennt. Zum April 2010 wurde nun ein Verordnungswechsel vollzogen. Kernaussage der neuen VO (EG) Nr. 300/2008 ist eine jetzt auch für Versender notwendige behördliche Zulassung, wenn deren Luftfracht zukünftig von kosten- und zeitintensiven Kontrollmaßnahmen ausgenommen sein soll. Denn: Sämtliche Fracht, die per Luftfracht befördert werden soll, ist vor Verladen in ein Luftfahrzeug Kontrollmaßnahmen zu unterziehen. Als Kontrollen legt die Verordnung verschiedene Möglichkeiten fest wie Röntgen, Sicht- oder physische Kontrollen, Sprengstoff-Spürhunde, -Detektion oder -Spurendetektion, die einzeln oder in Kombination, als primäre oder sekundäre Kontrollmaßnahmen eingesetzt werden müssen. Es ist immer das am besten geeignete Mittel zu nutzen, um ausschließen zu können, dass sich in der Luftfracht gefährliche oder verbotene Gegenstände, also Spreng- und Brandsätze, befinden. Kann dies nicht zweifelsfrei durch das eigens dafür ausgebildete Personal festgestellt werden, darf die Sendung nicht ins Luftfahrzeug verladen werden. Ausgenommen von Kontrollen sind nur die Sendungen von bekannten Versendern oder geschäftlichen Versendern. Diese können durch Einhaltung bestimmter durch die Behörde auditierter Sicherheitsmaßnahmen die Fracht bereits im Vorfeld als sicher deklarieren. Heutzutage finden derartige Kontrollen – wie allgemein angenommen wird – nicht zwangsläufig an den Flughäfen statt. Entscheidend ist, dass die Luftfracht, nachdem der „sichere Status“ festgestellt wurde, unbedingt vor Manipulation geschützt wird. Technisch und personell ausgerüstet sind neben den Flughäfen, Luftfahrtunternehmen und deren Handlingagenten mittlerweile auch einige wenige Reglementierte Beauftragte. Ob die zur Verfügung stehende Technik für das mit aller Wahrscheinlichkeit ansteigende Luftfracht-aufkommen ausreichend sein wird, ist aufgrund der unklaren Entwicklungen auch heute noch nicht zu verifizieren. Auch das in dem Zusammenhang benötigte qualifizierte Kontrollpersonal steht nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung, da nur einsatzbezogen ausgebildet werden darf, um deutsche Sicherheitsstandards nur zielgerichtet einem autorisierten Personenkreis zu vermitteln. Auf all diese Umstände gilt es sich vorzubereiten. Eine Übergangsfrist von drei Jahren gibt bekannten Versendern jedoch die Möglichkeit, den Zulassungsprozess entspannt anzugehen. Während dieser Zeit bleiben sie durch die Unterzeichnung der „Sicherheitserklärung des bekannten Versenders“ bei ihrem Reglementierten Beauftragten als Bekannte Versender anerkannt. Mit dem Verordnungswechsel ist jedoch die Möglichkeit des Zeichnens einer neuen Sicherheitserklärung entfallen und weitere Anerkennungen durch Reglementiere Beauftragte sind nun nicht mehr möglich. Somit kann die Übergangsfrist bis zum 24. März 2013 nur als „Bestandsschutz“ angesehen werden. Neue Versender müssen auch jetzt schon eine behördliche Zulassung vorweisen oder ihre Luftfracht gilt als „unsicher“ und ist zwingend einer Kontrollmaßnahme zuzuführen. Also das, was alle derzeitigen bekannten Versender ab März 2013 ohne behördliche Zulassung erwartet. Viele Versender stellen sich bereits heute die Frage: Ist die behördliche Zulassung für mein Unternehmen tatsächlich erstrebenswert? Diese individuelle Entscheidung muss zum einen die Kosten für Kontrollmaßnahmen, die sich je nach Anzahl der Packstücke zwischen 20 und 150 Euro bewegen, aber auch gegebenenfalls den hieraus entstehenden Zeitverzug berücksichtigen. Letzteres stellt heute einen noch nicht kalkulierbaren Wert dar. Dem gegenüber stehen die Zertifizierungskosten. Auch hier handelt es sich teilweise um nebulöse Werte wie die Kosten der Behörde, die aufgrund der noch ausstehenden Gebührenverordnung nicht bekannt sind. Einzig bewerten kann der Versender in etwa den Einsatz eines Luftsicherheitsbeauftragten, Schulungskosten für das Personal, Erstellung eines Sicherheitsprogramms und ob gegebenenfalls bauliche Maßnahmen erforderlich sind. Die jedoch alles entscheidende Frage ist: Inwieweit ist die zuständige Behörde, das Luftfahrtbundesamt, personell darauf vorbereitet, bis zum Jahr 2013 die jetzt schon weit mehr als 2.400 formlos gestellten Anträge der Versender nach Vorlage aller Dokumente zu bearbeiten und deren Betriebsstandorte zu auditieren? Es soll schließlich keinem „Zulassungsfähigen“ ein wirtschaftlicher Schaden durch unnötige Kontrollmaßnahmen aufgrund fehlender Zulassung entstehen. Eine Zählung der Behörde hatte im Oktober 2009 ergeben, dass zirka 50.000 Versender mittels Sicherheitserklärung als Bekannte Versender anerkannt sind. Daraus lässt sich zwar die Zahl der tatsächlichen Antragsteller nicht ableiten. Jedoch werden auch bedingt durch das ständig steigende Luftfrachtaufkommen zahlreiche Luftfracht exportierende Unternehmen aus der finanziellen Notwendigkeit heraus nicht auf die behördliche Zulassung verzichten können. Versender, die eine Zulassung anstreben, sollten sich unter den gegebenen Umständen nicht bis zur allerletzten Sekunde Zeit lassen. Änderungen oder sogar eine Aufhebung der Regelungen ist nicht sehr wahrscheinlich, da die Verordnung Gültigkeit besitzt. Der Bereich Industrie & Aviation der DEKRA Akademie GmbH hatte bereits Mitte des Jahres 2009 in Stuttgart und weiterhin in Raunheim im März 2010 zu Informationsveranstaltungen eingeladen, um die deutsche Industrie auf die einschneidenden Veränderungen hinzuweisen. Das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Gastreferent der DEKRA Symposien, hatte im Weiteren auch die interessierten deutschen Verbände durch den Versand der Verordnungsentwürfe an allen einschneidenden Entwicklungen beteiligt. Es bleibt zu hoffen, dass alle Beteiligten auf die bereits im Jahr 2008 angekündigten Ände-rungen ausreichend vorbereitet sind. Die Autorin Annette Wiedemann (49) ist Leiterin der Bereichs Industrie & Aviation der DEKRA Akademie GmbH. Sie hat den Bereich aufgebaut und war zuvor 26 Jahre als Angestellte beim Luftfahrbundesamt tätig, zuletzt im Referat Luftsicherheit, Bereich Zulassung Reglementierte Beauftragte.

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