Ende der ADSp: Was passiert nun nach dem Scheitern der Verhandlungen über die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen?

Verlader und Spediteure konnten sich nicht auf die Neufassung der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) einigen und erklärten die Verhandlungen für gescheitert. Was bedeutet das für die Praxis?

Redaktion (allg.)

Mehr als zwei Jahre verhandelten die Verbände der verladenden Wirtschaft mit dem Deutschen Speditionsund Logistikverband DSLV über die Neufassung der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp). Am Ende stand trotz Moderation durch den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) jedoch kein neues Bedingungswerk, sondern die Erkenntnis, dass man keine gemeinsame Linie findet.
Spannend ist in diesem Zusammenhang, wie es nun weitergeht. Die ADSp waren ja bislang ein Garant dafür, dass der Warentransport in Deutschland zumindest aus juristischer Sicht weitgehend störungsfrei verläuft. Von Verladerseite heißt es dazu: „Mit dem Scheitern der Verhandlungen haben die bisherigen ADSp keine Gültigkeit mehr. Sie können deshalb nicht mehr empfohlen und angewendet werden, weil die bisherigen ADSp für gemeinsame Bedingungen stehen, die es nun nicht mehr gibt. Die Verbände haben den DSLV informiert, dass eine weitere Verwendung des Begriffs ADSp nicht mehr zulässig ist.“ Ganz anders liest sich die Verlautbarung des DSLV: „Das Ende der Verhandlungen bedeutet aber nicht das Aus für die ADSp (...).In allen Speditionsunternehmen können die aktuellen ADSp weiterhin als Geschäftsgrundlage verwendet werden.“
Die widersprüchlichen Verbandsaussagen hinterlassen Unverständnis, Unsicherheit und fragende Gesichter. Ist der erste Schrecken verarbeitet, stellt sich jedoch zumindest bei Juristen so etwas wie Erleichterung ein; denn nun werden die ADSp wieder zu dem, was sie eigentlich sind: Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Kein Gesetz
Im Laufe ihrer neunzigjährigen Geschichte wurde den ADSp eine Bedeutung zugeschrieben, die Juristen in Erklärungsnot bringt; und zwar im Hinblick auf die ihnen zugesprochene Allgemeingültigkeit, also die direkte Einbeziehung in den Speditionsvertrag, ohne dass die Parteien hierüber gesprochen haben müssen. So etwas kennt man sonst nur von Gesetzen. Zwar finden sich in den Lehrbüchern salbungsvolle Sätze wie: „Die ADSp von 1927 wurden unter Ausschluss der Legislative in freiwilliger Übereinkunft von den damaligen Spitzenverbänden der Wirtschaft und des Speditionsgewerbes gemeinsam entworfen und in Kraft gesetzt“. Doch auch wenn das nach Magna Carta klingt, können sich Kaufleute keine eigenen Gesetze geben. Mit Ausnahme des Handelsbrauchs, also dem „das haben wir immer schon so gemacht“ unter Kaufleuten, der im § 346 HGB geregelt ist. Aber diesen Schritt trauten sich die Gerichte nicht zu gehen. Handelsbräuche waren die ADSp nie.
Die Richter erkannten aber, dass im Gesetz keine ausreichenden Regelungen für das Speditionsgewerbe zu finden waren. So schwieg das Gesetz etwa über die Haftung des Spediteurs. Man stritt sogar darüber, ob die Kraftverkehrsordnung KVO (die Älteren erinnern sich gerne an sie zurück) Rechtsformcharakter habe. So sah sich der Bundesgerichtshof in einer seiner frühen Entscheidungen genötigt, festzustellen, dass die KVO eine „fertig bereitliegende Rechtsordnung“ sei. Hierbei vermerkte er dann am Rande („obiter dictum“), dass das mit den ADSp wohl so ähnlich sein müsse. Die ADSp seien zwar kein Handelsbrauch, man wolle sie aber so behandeln. Seitdem ging man also davon aus, dass wenn Branchenkaufleute nichts anderes vereinbaren, sie sich stets auf die ADSp in ihrer neuesten Fassung beziehen.
Zeitenwende
Im Jahr 2003 sind dann mit dem Transportrechtsreformgesetz zahlreiche Regelungen zum Speditionsgeschäft in das Gesetz gekommen. Grundsätzlich war man sich weiter einig, dass zumindest unter branchenerfahrenen Kaufleuten die ADSp kraft Wissen-müssen beziehungsweise Verkehrssitte Vertragsbestandteil werden. Selbst für ausländische Spediteure ging man davon aus, dass diese wissen müssen, dass deutsche Geschäftspartner nahezu immer die ADSp vereinbaren. Dennoch geriet der „Gesetzescharakter“ erstmals ins Wanken. So wurden die Klauseln Speder ADSp, die von den gesetzlichen Haftungsregelungen abweichen, nur dann wirksam, wenn sie drucktechnisch hervorgehoben wurden. Nun kommt die Krux der heutigen Situation: Wenn der Gesetzescharakter auf jener festlichen freiwilligen Übereinkunft aus dem Jahre 1927 fußt, dann fällt er weg, wenn die Verbände eben jenen Konsens aufkündigen.
Sofern der DSLV die Weiterverwendung der ADSp empfiehlt, so werden sie jetzt nur noch Teil des Vertrages, wenn man sie darin haben will. Es hängt nun an den allgemeinen Regeln, ob sie wirksamer Vertragsteil werden. Hierzu gehört unter anderem, dass der Vertragspartner sich über den Inhalt informieren konnte. So haben beide Seiten Recht. Die eine, wenn sie sich darauf bezieht, dass die ADSp keine allgemeine Geltung mehr haben. Die andere, wenn sie weiterhin von der Möglichkeit der Verwendung spricht. Aber vielleicht ist dies gerade auch im Hinblick auf die Internationalisierung des Geschäftes der richtige Weg. So vertrat jüngst ein Richter die Meinung, dass ein niederländischer Spediteur die ADSp kennen müsse, ein deutscher Spediteur jedoch nicht die niederländischen – selbst wenn er seit 25 Jahren eine internationale Güterkraftverkehrsspedition führt. Vielleicht nicht ganz der europäische Gedanke.
Der Autor:
Jan Dwornig arbeitet als Fachanwalt für Wirtschafts- und Transportrecht in einer Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei. Der Diplom-Wirtschaftsjurist ist außerdem als Autor, Dozent und Schiedsrichter am Schiedsgericht für die
Binnenschifffahrt tätig.
ADSp: Was Sie jetzt wissen müssen
Die ADSp haben ihre Sonderstellung verloren. Will man sie trotzdem weiterverwenden, so muss man sich darüber klar sein, dass sie nunmehr den allgemeinen gesetzlichen Regelungen unterworfen sind. Das betrifft zum einen ihre Einbeziehung in den Vertrag: Da ihr Inhalt nicht mehr als branchenüblich und damit bekannt vorausgesetzt werden kann, muss der Vertragspartner von der Verwendung wissen. Sei es durch einen Hinweis bei Vertragsschluss, einen Rahmenvertrag oder von früheren Geschäften.Der Vertragspartner muss weiterhin die Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt haben. Im reinen deutschen kaufmännischen Verkehr sind die Anforderungen hierzu wenig streng. Es reicht aus, wenn man anbietet, die Bedingungen bei Bedarf zu übersenden.
Im internationalen Verkehr sind die Voraussetzungen strenger. Hier sollten die AGB vor Vertragsschluss übersandt werden (und das in der Sprache des Vertragspartners oder in Englisch). Dies gilt insbesondere, weil die ADSp die Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstands und die Wahl deutschen Rechts beinhalten. Zum anderen wird man sich darauf ein- stellen müssen, dass die Gerichte in Zukunft einzelne Klauseln strenger unter die Lupe nehmen werden. Schon zuvor wurden Bedenken über die Angemessenheit mancher Regelungen geäußert. Sollten sich bestimmte Regelungen als unzulässig herausstellen, kann es im Einzelfall teuer werden.
Stellen die Verbände wie angekündigt nun jeweils eigene Regelwerke auf, wird häufiger das Problem der „widerstreitenden
AGB“ auftreten. Und zwar immer dann, wenn die Vertragsparteien sich jeweils wechselseitig auf die Bedingungen ihres Verbandes beziehen und diese sich aber widersprechen. Im Ergebnis wird es wohl in den meisten Fällen darauf hinauslaufen, dass die sich widersprechenden Regelungen durch die gesetzlichen Regelungen ersetzt werden. Der Vorteil der Weiterverwendung der ADSp liegt in ihrer Verbreitung. Bei einer Kette von Beteiligten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass alle die gleichen Bedingungen verwenden. Ein Nachteil ist, dass wichtige Klauseln in den ADSp fehlen. So fehlt es an einer Abwehrklausel gegen die AGB des Vertragspartners. Man sollte daher prüfen, ob es in die Zukunft gedacht nicht sinnvoll wäre, hauseigene Bedingun- gen erstellen zu lassen.

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