Elektrotransporter im Vergleichstest: Nissan, Peugeot und Renault im Wettstreit um Reichweite und Beschleunigung: Elektro-Vans im Praxiseinsatz

Langsam wächst das Feld der Elektro-Vans. Wir haben anhand der drei in Serie verfügbaren Kleinlieferwagen von Peugeot, Renault und Nissan festgestellt: In der Stadt sind E-Vans unschlagbar. Leise, flott, emissionsfrei, in der Reichweite standhaft. Einer ganz besonders.

Bild: Johannes Reichel
Bild: Johannes Reichel
Redaktion (allg.)

Spannende Momente gab es zuhauf beim ersten Vergleichstest mit Elektrotransportern: Wer bei 35 Grad Außentemperatur dann doch die Klimaanlage einschaltet, dem buchen die Reichweitenanzeigen in den E-Vans gleich mal pauschal zehn bis 20 Kilometer ab vom ohnehin kleinen Energieschatz. Dann lieber schwitzen – und Fenster auf. Denn der Schatz will gut gehütet sein: Beschleunigungsorgien verkneift man sich besser. Auch ohne das Pedal aufs Blech zu drücken, ziehen die Elektriker los wie am Schnürchen. Nissans Wechselstrom- Synchronmotor bietet 245 Nm, bei Peugeot sind es 200 und Renaults Drehstrom-Synchronmotor stemmt 226 Nm. „Vollgas“ imponiert zwar möglicherweise dem Porsche-Fahrer, strapaziert die Akkus aber ebenso, wie Tempi jenseits der 90 km/h die Reichweite rapide drücken. Wer den Fahrstil aber anpasst, der erntet erstaunliche Standhaftigkeit. Exakt der beim Verbrennungsmotor so verbrauchstreibende Stop-and-go-Verkehr ficht die E-Transporter nicht an. Nach einem halben Nachmittag kreuz und quer mit über 50 Stopps und Anfahrvorgängen hatten wir noch so viel Reserven, dass wir eine Überlandpartie durch die hügelige Hallertau samt Rückfahrt über die Autobahn wagten. Landstraßentempo stecken die drei Vans noch gut weg. Zumal bei allen die Fähigkeit, bergab Bremsenergie zurückzuspeisen, ausgeprägt ist. Der Nissan beherrscht das am besten, lässt im Normalmodus lieber leichter rollen als früh zu verzögern.

Zwei Rekuperationsmodi
Den Modus „B“ muss man separat aktivieren. Dann erreicht der Nissan höhere Bremsraten, sobald man vom Gas geht – in der Stadt angenehm, weil man nur mit dem Gaspedal fahren kann. Generell diese Strategie verfolgt der Peugeot, der sich auch beim Antritt spurtstark zeigt und das Tempo bei Lupfen des Gaspedals massiv drosselt. Der Renault Z.E. platziert sich fahrstrategisch dazwischen. Überland erweist sich die Wahlmöglichkeit des Nissan als weise, während man speziell beim Peugeot schon zirkeln muss, um den sogenannten Segelbetrieb zu erwischen. In der City wird die Arbeit zusätzlich erleichtert von stufenlosen Getrieben. Es ist ein Fahren wie vom anderen Stern: Die Elektriker gleiten leise und sanft dahin. Es bleiben einzig die Abroll- und Windgeräusche, die der Peugeot subjektiv am besten filtert. Das elektrische Gesumme des Nissan nimmt man nach kurzer Zeit nicht mehr wahr. Selbst nach einem heißen Tag steigt man relativ entspannt aus.
Unterm Strich sind es Nuancen, die den Kangoo vom eNV200 oder dem Peugeot Partner trennen. Der Partner bietet insgesamt den besten Komfort, das präziseste Handling und die beste Verarbeitung. Der Renault versieht die Arbeit unauffällig gut. Der Nissan, auch für Schwellenlandeinsatz gedacht, wirkt etwas dünnwandiger. Speziell im Stadtverkehr machen aber alle drei Spaß. Zumal Nissan die E-Variante fahrwerkseitig modifiziert hat. Der eNV200 rollt mit breiterer Spur, liegt merklich sicherer. Eher klagen ließe sich über die kutschbockartige Sitzposition, die schmal geschnittenen Sitze, das kaum verstellbare, flach stehende Lenkrad, die mäßige Ergonomie nebst Mangel an Ablagen oder über die dürftigen Spiegel.
Nissan als City-König
Das ist ein Feld, das die „Alt- Europäer“ von Peugeot und Renault besser beherrschen. Auch ihre klare Darstellung der Elektrotechnik gefällt besser als Nissans bunter Wimmelkasten respektive das schlecht ablesbare digitale Mäusekino mittig. Immerhin wartet der Nissan auch mit Infos wie der Rekuperationsrate (32 Prozent) auf. Bei allen fehlt eine Anzeige über die exakte Ladezeit, die Angaben sind dann nur Schätzwerte. Der Renault nervt durch das Sperren des Steckers, wenn die Zündung ausgeschaltet ist. Dafür punktet der Nissan mit der besten Raumeffizienz – 4,2 Kubik auf 4,56 Meter Länge und auf citygassenfreundlich schmalen 1,75 Meter Breite, dafür müssen die Konkurrenten die Langversionen bemühen – wie im Falle des dann eher unhandlichen Testwagens von Renault (4,66 m Länge, 11,9 m Wendekreis). Apropos: Auch der Wendekreis ist bei Nissan top, Manövrieren eine Wonne.
Noch wichtiger: Neben dem Volumen punktet der Nissan trotz „größtem“ Akku auch als Elektroversion mit der höchsten Nutzlast. Mit 1.920 Kilogramm unterbietet er Peugeot und Renault immerhin um 80 kg. Wobei die Elektrotechnik in diesem Punkt bei allen Kandidaten „durchschlägt“. Abzüglich 250 kg Ballast kommt keiner unter 1.670 kg weg. Alleine die bei allen platzsparend unterflur verlegten Akku-Packs wiegen bei Renault 260 kg, bei Peugeot 327 kg und bei Nissan 267 kg und „überkompensieren“ das mittels der leichteren Elektromotoren und Getriebe gesparte Gewicht bei Weitem. Apropos: Die E-Maschinen sind so raumsparend, dass unter den Hauben, insbesondere beim Nissan, fast gähnende Leere herrscht. Was wiederum zu der generellen Frage überleitet, ob nicht ein Elektrofahrzeug grundlegend anders konstruiert sein könnte, entweder bei gleicher Außenfläche mehr Volumen bieten oder bei kompakteren Maßen das gleiche Volumen. Sicher ließe sich hier auch Gewicht sparen, denn ein für urbane Belieferung gebauter Van bräuchte kein autobahnfestes Chassis. Wie leicht so etwas sein könnte, zeigt etwa der Street Scooter, mittlerweile unter den Fittichen von Deutsche Post DHL. Auch VW machte mit der Studie „E-Co Motion“ von 2013 klar, wie so ein Fahrzeug aussehen könnte. Einstweilen steckt ein futuristischer Kern in einer konventionellen Hülle. Wobei eben auch die E-Antriebstechnik nebst Batteriemanagement in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat. Was das bedeuten kann, wird klar anhand der Konzerngeschwister Renault Kangoo und Nissan eNV200. Ersterer schlägt bei unserem Reichweitentest bei beachtlichen 137,9 Kilometern Alarm an und rollt mit letzter Kraft auf den Verlagshof – ab fünf Prozent Akkukapazität wird die Leistung auf 15 kW gedrosselt.
Reichweiten um 140 km
Der Nissan surrt da noch munter vor sich hin und meldet nach gleicher Distanz und Route satte 18 Kilometer Restreichweite. Der Peugeot platziert sich auch hier dazwischen – und erreicht mit elf verbliebenen Kilometern „im Tank“ die 138-km-Marke. Entsprechend stellt sich der Verbrauch dar: 15,8 kWh/100 km beim Renault Z.E., 14,9 beim Nissan. 22,5 kWh fassen die Akkus des Peugeot, Nissan hat dem eNV200 24 kWh mit auf den Weg gegeben, Renault packt 22 kWh in die Lithium-Ionen-Zellen. Und doch zeigt es insgesamt auch, dass die Elektro-Vans für städtische Lieferreichweiten mehr als gewappnet sind. Selbst die Anfahrt aus dem Umland-Depot zur eigentlichen Lieferroute stellt für keinen der Transporter ein Problem dar. Wer es gut plant, schafft – zumindest im Sommer – glatt zwei Touren ohne nachzuladen.
Eigene Ladeinfrastruktur
Letzteres sollte man allerdings organisieren. Öffentliche Ladeinfrastruktur ist rar. An einer eigenen Ladesäule führt für professionelle Anwender kein Weg vorbei. Es muss ja nicht eine Schnellladevorrichtung mit 50-kW-Gleichstrom sein, wie Nissan und Peugeot es optional anbieten, mit dem sich etwa auch binnen einer halben Stunde 80 Prozent Kapazität wiederherstellen lassen. Eine Elf- oder 22-kW-Wechselstromsäule (bei 400 V und 16 oder 32 A) oder gar normaler Haushaltsstrom tun es über Nacht auch, zwei bis vier Stunden braucht es bei ersterer, etwa acht Stunden bei letzterer Option. Eine professionelle Infrastruktur lohnt sich auch insofern, als man dann günstigeren Industriestrom bunkern kann. Selbst bei einem Strompreis von 30 Cent pro kWh landet man bei etwa der Hälfte an „Spritkosten“ im Vergleich zum Diesel. Für 100 Kilometer berechnet, fährt man beim Elektro für vier Euro, acht sind es beim Diesel, Spritpreis von 1,20 Euro und etwa 6,5 l/100 km Verbrauch. Ein Wert, den Elektro-Van- Nutzer wie die Bäckerei Schüren in Hilden aus der Praxis bestätigen (siehe LOGISTRA 4/15). Mindestens die Hälfte holt er zum Diesel heraus, bei Industriestrom für 15 Cent pro kWh noch mehr. Hinzu kommen viel günstigere Wartungskosten, die nach Nissan- Berechnungen etwa 40 Prozent niedriger liegen als beim konventionellen Verbrenner. Klar, kaum Bremsverschleiß, kein Ölwechsel, Elektromotoren gelten als robust.
Für die Akkus versuchen mittlerweile alle Hersteller mit langen Garantien Vertrauen zu stiften. Peugeot verspricht acht Jahre und 100.000 km, Nissan traut sich „nur“ fünf Jahre und 100.000 km auf die Batterie bei drei Viertel der Akkukapazität zu, wobei die Praxis des zum „Taxi des Jahres“ gekürten eNV200 in Amsterdam noch über 90 Prozent Kapazität nach 120.000 km ergab. Dort werden die E-Fahrzeuge übrigens mit 10.000 Euro bezuschusst. Renault verspricht für die Akkus über fünf Jahre drei Viertel der Kapazität. Bei Nissan hat der Kunde die Wahl zwischen Miete oder Kauf der Batterie, muss somit entweder 20.100 Euro (73 Euro, 36 Monate und 10.000 km jährlich) oder 25.000 Euro berappen. Renault startet bei 20.300 Euro für den Kastenwagen, berechnet immer eine monatliche Rate je nach Laufleistung und Laufzeit (ab 73 Euro für 48 Monate bei 10.000 km/Jahr) und belässt das Eigentum beim Hersteller. Peugeot schließlich lockt ebenfalls mit relativ günstigem Einstiegspreis von unter 20.000 Euro, lässt sich die Batterie aber komplett ablösen mit 5.300 Euro. Okay, man muss schon ein Weilchen fahren, um die Differenz zu einem Diesel wieder hereinzuholen. Wobei die Lücke mit Euro 6 kleiner wird: Ein Peugeot Partner HDI Euro 6 mit in der Performance vergleichbarem 100-PS-Diesel und Start-Stopp kostet 17.700 Euro, Nissan verlangt für den NV200 DCI 110 in Euro 6 gar 19.300 Euro, Renault wird mit NOx-Kat wohl 200 bis 300 Euro teurer als bisher.

E-Vans endlich fördern
Ein Schuh könnte neben der überfälligen politischen Förderung der abgas- und lärmarmen Fahrzeuge daraus werden, wenn Städte rigide dichtmachen – und sich die Frage stellt: „Fahren oder nicht Fahren?“ Die Technik steht einer weiteren Verbreitung jedenfalls nicht entgegen: Sie erwies sich als praxistauglich und dem konventionellen Antrieb an Effizienz und Intelligenz überlegen. Für die urbane Belieferung sind E-Fahrzeuge schlicht ideal. Ein gutes Drittel der 600.000 pro Jahr in Europa neu zugelassenen Vans legen täglich nie mehr als 120 Kilometer zurück, könnten also von E-Transportern ersetzt werden, hat Nissan-Elektro-Chef Jean-Pierre Diernaz vorgerechnet. Der Gedanke hat was. Johannes Reichel
Fazit
Johannes Reichel, Profi-Tester: Ganz klar, der Nissan eNV200 ist der beste Elektrotransporter am Markt, mit cleverem Batteriemanagement samt Kühlung, größte Kapazität respektive Reichweite, verschiedene Rekuperationsmodi, diverse Lademöglichkeiten. Nebenbei bietet der eNV200 Raumeffizienz, Wendigkeit und Nutzlast. Der Peugeot ist das komfortablere Auto, kommt aber in der Basis nur mit Haushaltsstecker. Der Pionier Kangoo Z.E. bleibt eine solide Partie, patzt aber bei der Reichweite und besitzt keine Schnellladeoption.

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