MAN TGS 26.480: Kraftmeier für 40 Tonnen-Einsatz auf der Straße: Einer für alles

Der 6x4-Dreiachser ist hierzulande das „Brot-und Butter“-Auto des Bauunternehmers: Keine anderes Baumuster lässt sich so flexibel Einsetzen: Als wendiger Solo-Kipper, als Zugmaschine für den 40-Tonnen-Zug oder als Schwerlast-Zugmaschine.

Symbolbild LOGISTRA (Foto: T. Schweikl)
Redaktion (allg.)

Kleine Einschränkung: der Dreiachser kann alles, aber nicht alles gleich gut. Und er sollte großzügig motorisiert sein. Das trifft für alle von uns gefahrenen Dreiachser in 6x4-Achskonfiguration zu. Beispiel „MAN TGS 26.480“: Ein Leistungsangebot, das nicht unbedingt die Empfehlung für den überwiegenden Solo-Einsatz ist. So ein Kraftmeier will gefordert sein. Er ist ein Zugtier, Triebkopf für 40 Tonnen, mit viel Einsatz auf der Straße. Er holt Bagger mit dem Tieflader oder Massen-Schüttgut mit dem Tandemachs-Anhänger - solche Sachen.
Mit dem heute üblichen Zentralachs-Tandemachser am Haken verdoppelt sich beinahe die Nutzlast. Aufgebaut mit einem relativ leichten und in der Regel luftgefederten Dreiseiten-Kipper, ohne den Komfort einer Meiller-Bordmatic, kommt der 6x4 solo auf eine Nettonutzlast von 14 Tonnen, nutzt man die erlaubten 26 Tonnen Gesamtgewicht aus. Für den knapp fünf Tonnen schweren Zentralachser bleiben dann noch gut neun Tonnen an Nutzlast. Macht summa summarum 24 Tonnen.
Der „Iveco Trakker“ war ganz besonders zielsicher auf die Eigenschaften einer Schwerlastzugmaschine getrimmt: Nicht nur dass man mit dem voluminösen und enorm durchzugsstarken 500-­PS-Sechszylinder über ein äußerst kräftiges Triebwerk verfügt. In der ­weisen Voraussicht, dass man beim Ziehen eines Tiefladers auch schon mal an Traktionsgrenzen und auf ungebührliche Kupplungsbelastungen stoßen kann, war der ­Trakker anstatt mit der automatisierten zwölfstufigen Eurotronic mit dem konventionellen, 16-stufigen Schaltgetriebe mit Kupplungspedal ausgestattet. Ungewöhnlich, und für diesen Einsatz eine Überlegung wert, ist das lange Fahrerhaus mit Schlafliege. Zwar ist das niedrige Haus kein Raumwunder, gelegentliche Übernachtungen sind mit dieser Konfiguration aber in erträglicher Weise möglich.
Die aktuellste Baureihe derzeit sind jedoch die neuen Bau-„Actros“: Mit dem „Actros 2646 6x4“ haben wir noch nie einen reiferen Dreiachser gefahren. Und „Reife“ steht hier nicht beschönigend für „alt, einfach und altbewährt“. Die neuen Bau-Actros stellen vielmehr das derzeit Machbare in Sachen Antriebsstrang, Automatik im Bau-Truck und Vernetzung von Fahrer-Assistenz-System dar.

Automatik für den Bau
Mit dem Einzug der „Powershift II“ tritt Mercedes klar für den Einsatz automatisierter Getriebe im Bau-Lkw ein. Aus langer Erfahrung wohl wissend, dass automatisiertes Kuppeln und Schalten nicht nur im Fernverkehrs-Lkw bares Geld spart. Weniger Verschleiß an Kupplung, Antriebsstrang und Motor gehen einher mit weniger Verbrauch. Das ist so. Und wer das anzweifelt, hat entweder noch nie ein gut eingestelltes automatisiertes Getriebe ­gefahren oder kennt den Stand der Technik nicht. Die zwölfstufige Powershift II ist hier mit knapp 1.600 Euro netto noch nicht einmal allzu teuer. Ein Schlag ins Kontor ist dagegen der Retarder mit 7.100 Euro extra, Klimaanlage und Standheizung bereichern zusammen die Aufpreisliste um weitere 3.600 Euro. So viel kostet übrigens auch die Lackierung „Champagner Metallic“: Sieht zwar verboten gut aus. Aber wer hat den zarten Goldton der Edelbrause schon als Hausfarbe? Da dominieren in der Branche doch eher pflegeleichte Grau- und Brauntöne.
Vergleicht man nur die Chassisgewichte ohne Aufbau, ist der Actros als luftgefederter Dreiachser ­direkt ein Leichtgewicht: 8.564 ­Kilogramm weist das Datenblatt aus, gewogen mit der 16-stufigen EPS. Das zwölfgängige Powershift ist um 70 bis 80 Kilogramm leichter als die EPS, die nach wie vor den Serienzustand markiert. Die Waage unserer hiesigen Baywa-Station relativiert die Gewichtsbilanz dann doch ein wenig: Mit 17.620 Kilogramm inklusive eines Standard-75-kg-Fahrers hat der Actros mit Tandemachs-Kipper ganz schön Masse auf den Rippen: rund 500 Kilogramm mehr als der vergleichbare Iveco Trakker und 900 Kilogramm mehr als der MAN TGS 6x4 in ähnlicher Aufmachung.
Ein Großteil des Mehrgewichts steckt hier im Meiller-Anhänger mit Bordmatic und der sehr kräftigen Deichsel. Und auch die erhöhten Bordwände mit 110 Zentimeter Höhe sind hier leergewichtsfördernd zu nennen.

Kein Gang-Pendeln
Unsere Nahverkehrs-Runde gehen wir voll ausgeladen mit rund 22,3 Tonnen feinsten Eichstätter ­Jura-Schotters an. Und schon auf unserer bergigen Handling-Aufwärmrunde staunen wir ob der ­feinen Kraftentfaltung dieser Motor-/Getriebe-/Hinterachskombination des Actros. Anders als die meisten 40-Tonner, denen wir hier entlang des Altmühltals auf den Zahn fühlen, neigt der Mercedes bei 65 km/h Landstraßen-Marschfahrt überhaupt nicht zu dem sonst üblichen Pendeln zwischen 12. und 11. Gang.
Ein Blick auf die Übersetzungen zeigt, dass der Actros mit der Gesamt-Hinterachsübersetzung von 4,57 sehr kurz übersetzt ist. In der Tat dreht er bei 65 km/h knapp 1.200 Umdrehungen und ist damit noch in einem sehr gesunden Drehzahlbereich, der auch leichte Steigungen mühelos glättet. Zum Vergleich: Die beiden getesteten Konkurrenten, durchaus mit etwas mehr Leistung und Drehmoment ausgestattet (MAN: 2.300 Nm, 480 PS, Iveco Trakker: 2.300 Nm, 500 PS), kurbelten bei 65 km/h mit 1.050 Touren über die flache Landstraße und wollten trotz des üppigen Drehmomentangebots doch hier und da in den Elften geschaltet werden. Vom Verbrauch her liegt der Actros auf den flachen Landstraßenstücken mit 36,8 l/100 km zwar knapp einen Liter unter dem MAN aber dennoch 1,3 Liter über dem hier sehr sparsamen Iveco Trakker.
Ein ganz anderes Bild ergibt die schwere Landstraße mit zahlreichen Stopps, Ortsdurchfahrten und zwei neunprozentigen Messbergen: Hier lässt der Actros mit 45 l/100 km sowohl MAN (49,8 l/100 km) als auch den Iveco (47,4 l/100 km) weit hinter sich. Und das bei nahezu gleichen Fahrdurchschnitten von rund 56 km/h. Die kürzere Übersetzung wirkt sich allenfalls auf der Autobahn aus. Mit 39,3 l/100 km bleibt der 460er Actros zwar knapp unter der 40-Liter-Marke und schlägt den großvolumigen Iveco Trakker mit seinem 13-Liter-Motor (40,2 l/100 km). Doch mit 36,5 Litern zeigt sich der MAN TGS 480 deutlich sparsamer. Für einen Dreiachs-Kipper mit Tandemachs-Anhänger und naturgemäß suboptimaler Aerodynamik sehr beachtlich.
Was jedoch viel wichtiger ist: An den üblichen Fünf-Prozent-Autobahnsteigungen zieht der V6 mit zähem Durchhaltevermögen im zwölften Gang hoch, wo die stärkeren Konkurrenten schon mal einen Gang zurückschalten mussten. Zugegeben: Mit einem automatisierten Getriebe ist das keine Arbeit. Die zusätzliche Zugkraftunterbrechung kostet aber Geschwindigkeit und drückt auf Dauer die erzielbaren Schnitte. Als echte Schmankerl erweisen sich die zusätzlichen Funktionen, die die Powershift-Ausrüstung bietet. Da ist einmal die frei einstellbare ­Hysterese, die das maximale Ausnutzen von Schwungspitzen sehr erleichtert. Auf der Autobahn stellt sich das in unserem Fall so dar: Marschgeschwindigkeit ist 84 km/h, Schwungspitzen sollen nicht über 90 km/h liegen.
Die Einstellung der Hysterese wäre dann 6 km/h. Mit dem Taster in der Schaltergruppe der Mittelkonsole stellen wir diesen Wert im Zentraldisplay ein. Fährt man nun mit Tempomat, setzt bergab die Motorbremse ein, um den Zug bei genau 90 km/h einzubremsen. Reicht die Motorbremse nicht aus, aktiviert der Telligent-Hauptcomputer zusätzlich den ­Retarder, so dass die selbst gewählte Schwungspitzengeschwindigkeit auf keinen Fall überschritten wird.

Flotte Bergabfahrten
Auch MAN und Iveco bieten diese Verknüpfung in Verbindung mit ihren automatisierten Schaltgetrieben und Retarder. Allerdings lässt sich die Hysteres hier nicht frei wählen. Dieses Brems-Management ermöglicht sehr flotte Bergabfahrten auf der Landstraße. Unser langes Sieben-Prozent-Gefälle hinunter nach Beilngries im Altmühltal geht der Computer so an: 65 km/h sind als Marschgeschwindigkeit gesetzt. Schon bald nach Beginn des Gefälles erreichen wir hier 70 km/h – unsere Landstraßen-Schwungspitze. Ohne auch nur einen Finger zu rühren, hält das System 68 bis 70 km/h. Zuerst tritt automatisch die Motorbremse mit Konstantdrossel (Daimler) oder Motorbremse (MAN) auf den Plan, dann schaltet die Automatik in den elften, um etwas mehr Drehzahl zu bekommen. Zu guter Letzt greift, sofern vorhanden, auch noch der Retarder mit kleiner Stufe ein. So rollt man sicher aber trotzdem zügig den Berg hinunter, ohne die Betriebsbremse zu bemühen, ohne allzu hohe Motorbrems-Drehzahlen (Lärm!) und ohne Stress.
Ein eher umstrittenes Zubehör ist die Power-Taste. Mercedes bietet sie im Verbund mit der einstellbaren Hystere und Eco-Roll an. Missbrauch sei hier schon vorprogrammiert, ist ein viel gehörtes Argument dagegen. Auszuschließen ist ein Missbrauch durch unkundige Fahrer natürlich nicht, die Vorzüge dieser Taste sind aber auch nicht zu verachten. Insbesondere an den täglich zu befahrenden Steigungen ist sie ein probates Hilfsmittel, um Gänge höher ausdrehen zu lassen und beim Runterschalten auch schon mal einen Gang zu überspringen.
An steilen Aufstiegen ist das Erklimmen des Berges in möglichst kurzer Zeit schließlich immer noch die sparsamste Art und Weise einen Berg zu meistern. An unserem Neun-Prozent-Testberg machen wir die Probe aufs Exempel: Zuerst geht es konventionell und mit manuellen Eingriffen die Steigung hoch, beim zweiten Mal mit aktivierter „Power“-Schaltung.

Power am Berg

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Das Ergebnis ist eindeutig: Sechs Prozent schneller und vier Prozent sparsamer im Power-Modus. Sollte man nachher vergessen, die Taste zu deaktivieren, verlässt der Computer den Power-Modus nach zwölf Minuten selbständig. Einen ähnlichen Effekt der Drehzahlerweiterung erreicht man bekanntlich auch durch den Kickdown übers Gaspedal. Auch hier werden Abwärts-Schaltungen provoziert und Schaltdrehzahlen nach oben verschoben. Aber aufgepasst: Löst man den Kickdown, kann es passieren, dass der Computer gleich zwei Gänge hoch schaltet, was in einer neun Prozent-Steigung einem fatalen „Verschalter“ gleichkäme. Beim Actros ist das jedoch unwahrscheinlich, weil er dank seines Neigungssensors die tatsächliche Steigung registriert und entsprechend seinem Kennfeld stets den passenden Gang wählt.

 

Autor:

Robert Domina

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