Iveco Daily 2016: Neuer F1A-Motor und leicht verändertes Design: Iveco Daily 35S14V: Fahren ohne Zusätze

„Nur Diesel“ genügt beim dezent erneuerten Iveco Daily Euro 6: Der 3,5-Tonnen-Transporter mit 2,3-Liter-Maschine erfüllt die aktuelle Norm ohne SCR und ist auch sonst ein rundes Paket.

Bilder: Johannes Reichel
Bilder: Johannes Reichel
Redaktion (allg.)

Neu ist ein relativer Begriff – ob der Daily schon wieder „neu“ ist, wo er doch in seiner jetzigen Form erst im Jahr 2014 wirklich komplett neu vorgestellt worden war, ist eine Frage der Perspektive. Der Hersteller jedenfalls spricht vom „neuen Daily“ im Bezug auf den 2016er-Jahrgang. Und er meint damit weniger den leicht veränderten Kühlergrill mit den glatt horizontal gezogenen Lamellen und die dezent geliftete Frontschürze sowie die Rückleuchten.


„Es muss gesagt werden, dass der 2,3-l-F1A-Motor eine komplette Neuentwicklung ist“, betonte Iveco-Brand-Präsident Pierre Lahutte im Interview auf der IAA. Basis für die Lösung „only Diesel“ ist eine zusätzliche gekühlte Niederdruck-Abgasrückführung. „Nach dem Partikelfilter kühlen wir sauberes Abgas und führen es über einen Kühler vor dem Turbo wieder der Verbrennung zu. Als Ergebnis haben wir dann eine niedrigere Eingangstemperatur der Verbrennungsluft und damit weniger NOX-Ausstoß“, erklärt Lahutte. Hauptziel all der Bemühungen: Euro 6 ohne SCR. Außerdem soll der um 14 Kilo leichtere, laut Hersteller im NEFZ-Zyklus acht Prozent sparsamere und weiter reibungsoptimierte Motor im neuen Package schon fit sein für Euro 6 Plus; ab 2017 kommt diese Variante, für die ein SCR-Kat unerlässlich wird. Gesetzliche Pflicht wird das aber erst ab 2020 mit dem realitätsnäheren RDE-Zyklus. Optimiert wurde übrigens auch der DPF, um längere Ölwechselintervalle von jetzt 50.000 Kilometer zu ermöglichen.
Hoher City-Verbrauch
Während wir nolens volens anfingen, uns an die nervige Doppeltankung nach dem Test zu gewöhnen, war es mit dem Daily wie früher: „only Diesel“ – weiter geht’s. Dass es noch nicht mal allzu viel vom fossilen Brennstoff war – 8,67 l/100 km –, ist umso erfreulicher. Damit liegt er nicht nur deutlich unter dem Euro-5-Modell mit 205 PS und 3,0-Liter-Motor (10,0 l/100 km), sondern auch weit unter dem Hyundai H350 (9,7 l/ 100 km) und fast auf Augen­höhe mit dem Sprinter 316 CDI Euro 6 (8,2 l/100 km + 0,4 l AdBlue). Wobei der Wert noch besser ausgefallen wäre, hätte sich der Daily mit dem Hi-Matic-Getriebe nicht über unsere City-Runde einen ordentlichen Schluck aus der Pulle genehmigt.
Die Achtgang-Wandlerautomatik zeigt zwei Gesichter: Zwar ist sie mit wunderbar sanften und schnellen Schaltwechseln ein echtes Komfort-Plus im Stadtverkehr. Andererseits scheinen die 40 Anfahrvorgänge, die unser Stadtzirkel vorsieht, doch auf den Verbrauch durchzuschlagen: Satte 10,8 l/100 km ergab die Messung. Überland sinkt der Wert dann auf 8,1, auf der Autobahn auf 8,6 l/100 km.
Hier wie dort cruist man übrigens sehr entspannt dahin, noch entspannter, wenn man gelegentlich selbst zum haptisch wertigen Schaltknauf greift und der Automatik „Halten“ signalisiert. Sie wirkt bisweilen etwas vorschnell beim Runterschalten und generell mehr auf mittlere Drehzahlen ausgelegt. Was der drehmomentgewaltige Motor nicht nötig hätte. Der zieht auch von unten heraus wie ein Bär, seine 350 Nm maximales Drehmoment liegen bei 1.500/min an, ein Großteil davon schon früher. Insofern kann man sich eine schaltfaule Fahrweise angewöhnen, die für „Fernfahrer“ natürlich wieder zu der „Sinnfrage“ führt, ob man die 3.900 Euro in die Hi-Matic investieren soll, wenn man eh selten schaltet – und damit obendrein die Option „Start-Stopp“-Anlage entfällt. Womit sich der Kreis schließt: In der Stadt führt die Hi-Matic offenbar zu erhöhtem Verbrauch.
Für Kuriere reicht die Basis
Generell sei im urbanen Umfeld die Basismotorisierung empfohlen. Statt eines variablen kommt hier ein Wastegate-Lader zum Einsatz, aber 116 PS und 320 Nm Drehmoment bei gleichfalls 1.500/min, Verzicht sieht anders aus, und beim Preis verzichtet man gern: 1.100 Euro weniger werden fällig. Der 136-PS-Motor wirkt für Stadtgezuckel jedenfalls fast schon überqualifiziert. Generell macht der Motor mit seinem kraftvoll grummelnden, bei Kaltstart etwas rustikalen Lauf deutlich, dass es sich, wie der Hersteller nicht müde wird zu betonen, um eine „Industriemaschine“ handelt, nicht um ein wie sonst in der Branche üblich Pkw-abgeleitetes Derivat. Auf 350.000 Kilometer „Mindesthaltbarkeit“ will Iveco das Aggregat mit dem Facelift „geeicht“ haben.
Einmal in Fahrt, hört man bis auf ein dezentes Brabbeln nicht mehr viel, auch dank guter und wirksamer Dämmung, mit dem Facelift soll es nochmal um vier Dezibel leiser zugehen im „neuen“ Daily. Die Windgeräusche liegen auf niedrigem Niveau, was in Anbetracht der wunderbar großformatigen Spiegel besonders respektabel erscheint. Die Abrollgeräusche haben die Iveco-Ingenieure ebenfalls gut in den Griff bekommen. Vor allem ist die Karosserie steifer zusammengefügt und sitzt auch bei schnell gefahrenen Landstraßenpassagen mit dem ein oder anderen Schlagloch verwindungsfrei auf dem Leiterrahmen.

Sichere Straßenlage
Dazu gesellt sich eine satte Straßenlage. Trotz des traditionell etwas längeren Überhangs ficht das Daily-Fahrwerk auch scharfer Seitenwind nicht mehr an. In dieses Bild fügt sich die gefühlvolle Lenkung nebst griffigem neuen Lederlenkrad bestens ein, das allerdings bei Kanaldeckeln ein paar Schläge von der etwas zum Stuckern neigenden Vorderachse abbekommt. Trotzdem, der Daily bereitet einen vom Vorgänger ungekannten Fahrspaß und wirkt für einen großkalibrigen Transporter fast schon agil. Zur hohen Wendigkeit trägt auch der erstklassige Wendekreis bei.
Einen verlässlichen Eindruck macht auch die um härtere Bremsbeläge ergänzte Bremsanlage, zu betätigen über ein „fettes“, arbeitsschuhtaugliches Bremspedal mit gutem Druckpunkt und feiner Dosierbarkeit. Nachholbedarf besteht allenfalls beim Thema Assistenzsysteme. Lediglich einen Spurassistenten führt die Aufpreisliste. In der nur leicht überarbeiteten Kabine (das Tintenblau ist allerdings Geschmackssache) punktet der Daily mit wertiger anmutenden Materialien, die übrigens ebenfalls knisterfrei verarbeitet sind, vielleicht nach dem Facelift noch einen Tick besser.
Neuer Fahrstilassistent
Zu den Vorzügen zählt auch die klasse Übersicht aus dem Cockpit und der gute Blick zur Seite dank der tief gezogenen Fenster. Top auch das großzügige Platzangebot: Die kompakt bauenden Armaturen und der tief ins Panel integrierte Schaltknauf ermöglichen einen problemlosen Durchstieg. Auch die Sitze sind erwachsen, bieten selbst großformatigeren Personen guten Halt, die Armlehne ist angenehm, die Lordosenstütze von „zupackender Art“. Clever: die Halterung für ein Tablet, auf dem man sich dann via „Daily Business Up“ alle möglichen Infos und etwa auch einen Fahrstilassistenten anzeigen lassen kann. Angenehm: die gummierten, kleineren Ablagen. Wünschenswert wären aber offene DIN-A4-Fächer, die Klappenlösung ist nur „second best“, weil ergonomisch umständlich. Außerdem sind die Instrumente sehr klein geraten und liegen wie in einer dunklen Höhle.
In der Kabine fällt auch auf, dass die Trennwand fest eingefügt ist, eine Verkleidung unterbindet etwaige Verschallungen zusätzlich. Dahinter gibt sich der Daily auch keine Blöße: Das Ladeabteil ist über die großformatige, butterweich laufende und satt schließende Schiebetür oder die breiten Portale am Heck über griffige Stufen nebst Handläufen gut zu entern. Klar, das Frachtabteil liegt höher als bei einem Fronttriebler wie dem Fiat Ducato, aber dank der auf der richtigen Höhe angesetzten Stufe kommt man klar. Ein kleines Manko: Die Heckportale könnten definierter einrasten, sie schlackern etwas haltlos im Wind.
Die stark verjüngenden Seitenwände – ein Vorteil in Sachen Aerodynamik – erweisen sich ladetechnisch als Nachteil, weil der Raum nicht optimal ausgenutzt werden kann. Dafür bietet der Daily mit 1,90 Meter Innenhöhe aber sonst genug Spielraum. Außerdem lässt sich die Ladung bestens sichern über stramme Zurrösen. Der Siebdruckboden ist blitzsauber verarbeitet, an den Enden schützen solide Aluleisten vor Schäden. Und eine Rundumbeplankung vor Staplergabeln. Das passt bildlich: Schließlich ist der Daily ein rundum gelungener Transporter. jr

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