Richtungswahl für die Logistik - Bundestagswahl 2017

Freihandel, Verkehrs- und IT-Infrastruktur und Mindestlohn/Fachkräftemangel – zur Bundestagswahl 2017 sprechen die Parteien für die Logistik entscheidende Themen an. Wir haben die Wahlprogramme analysiert.

Redaktion (allg.)

Wenn auch die Intensität des bisherigen Wahlkampfes nicht darauf hindeutet: Am 24. September ist Bundestagswahl. Realistische Chancen auf den Einzug in den 19. Deutschen Bundestag haben CDU/CSU, SPD, Die Linke, Grüne, FDP und AfD. Gemeinsam mit unseren Schwesterpublikationen LOGISTIK HEUTE und Transport haben wir deshalb die Wahlprogramme dieser sechs Parteien nach vier für die Logistik entscheidenden Themengebieten abgeklopft: Protektionismus/Freihandel, Verkehrsinfrastruktur/Maut, IT-Infrastruktur/Digitalisierung sowie Mindestlohn/Arbeitszeit/ Fachkräftemangel.


Freihandel / Protektionismus

Beim Thema Freihandel/Protektionismus bilden sich bei den Parteien drei Cluster. Auf der einen Seite stehen CDU/CSU, SPD und FDP, die laut ihrer Wahlprogramme alle den Protektionismus bekämpfen und den Freihandel stärken wollen; die SPD allerdings mit der expliziten Einschränkung auf „fairen und gerechten Handel“. Die CDU nennt hingegen explizit die Intensivierung der transatlantischen Beziehungen mit den USA, die sich nach der Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten doch merklich abgekühlt haben.

Die Grünen verzichten auf die explizite Nennung des Freihandels. Dafür steht bei ihnen ein „Neustart für faire Handelsabkommen“ wie TTIP, CETA und TiSA im Programm; genauso wie transparente Verhandlungen bei diesen Abkommen.

Die Europäische Union wollen laut Wahlprogrammen alle bislang genannten Parteien stärken: Man bekennt sich entweder explizit zur EU, den Vereinten Nationen, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (CDU/CSU und SPD) oder schreibt sich eine Stärkung der EU ins Positionspapier (FDP und Grüne).

Sowohl die Linke als auch die AfD lehnen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA grundsätzlich ab. Die Linke fordert eine stärkere Konzentration auf den Binnenmarkt und regionale Wirtschaftskreisläufe. Die AfD will die Übernahme „deutscher Firmen“ durch „ausländische Konzerne“ stärker kontrollieren und gegebenenfalls unterbinden. Die Linke will einen „Zukunftsfonds“ einrichten, um den „sozialökologischen Umbau der Industrie“ und „die Übernahme von Betrieben in kollektives Belegschaftseigentum“ zu fördern.

Verkehrsinfrastruktur / Maut

CDU/CSU und FDP wollen die Planungsprozesse bei Infrastrukturprojekten verkürzen und die aktuell hohen Investitionen verstetigen (CDU/CSU) oder sogar noch ausbauen (FDP). Mehr Infrastrukturinvestitionen fordert auch die AfD. Die Förderung des Schienenverkehrs wird bei CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen, AfD und der Linken gleichermaßen genannt.

Lang-Lkw werden von den Grünen und der Linken explizit abgelehnt und von der FDP (bei geeigneter Strecke) explizit befürwortet. Ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen lehnen CDU/CSU, FDP und AfD ab, Grüne und Linke fordern es. Die SPD übt sich bei dem Thema in Zurückhaltung. Die Elektromobilität als Zukunftsthema haben sich SPD und Grüne in das Wahlprogramm geschrieben. FDP und Die Linke lehnen Kaufprämien für Elektroautos ausdrücklich ab.

CDU/CSU wollen das Parkplatzangebot für Lkw an Autobahnen verbessern und fordern nichtabschaltbare Bremsassistenten für Lkw. Die SPD will automatisiertes Fahren und schnelles Internet an den Hauptverkehrsachsen ausbauen. Die Grünen folgen bei der Straßeninfrastruktur der Maxime „Erhalt vor Neubau“ und lehnen die Privatisierung von Verkehrsinfrastruktur – ähnlich wie die AfD – ab. Die FDP hingegen sieht genau jenes private Kapital als Chance. Die AfD will die Umweltzonen abschaffen, weil sie das Feinstaubproblem nicht lösen.

Die Linke prangert die Arbeitsbedingungen in der Logistikbranche als „oft miserabel“ an und fordert längere Ruhezeiten für Lkw-Fahrer. Die herrschenden Verkehrsverhältnisse werden als „ungerecht“ bezeichnet. Die Partei will die Lkw-Maut auf alle Straßen ausdehnen und erhöhen. Lkw- Fahrverbote sollen bereits ab Freitagnachmittags sowie nachts eingeführt werden. Außerdem solle der Rückbau von Straßen bei Unterschreitung einer Mindestnutzung Praxis werden, so die Linke. Ach ja: Das Programm der Grünen sieht vor, eine Million Bäume an Bundesfernstraßen zu pflanzen.

IT-Infrastruktur / Digitalisierung

Den Megatrend Digitalisierung haben ausnahmslos alle Parteien erkannt, der flächendeckende Breitbandausbau wird bei allen entweder explizit genannt oder er lässt sich aus den übrigen Forderungen ableiten. CDU/CSU und FDP wollen sogar ein eigenes Digitalministerium schaffen. Die FDP setzt sich darüber hinaus noch für einen „digitalen Binnenmarkt für Europa“ ein, analog zum Binnenmarkt für Waren, Dienstleistungen und Kapital.

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Grüne und FDP sind die einzigen, die sich ausdrücklich zur Netzneutralität bekennen. Die Linke fordert Wirtschaftsräte, die den „Umbau der Wirtschaft“ fachlich begleiten sollen.

Mindestlohn / Arbeitszeit / Fachkräftemangel

Der gesetzlich geregelte Mindestlohn wird von allen Parteien befürwortet. CDU/CSU und FDP wollen aber die damit verbundene Bürokratie abbauen. SPD und FDP wollen die Ausnahmen für Langzeitarbeitslose abschaffen, die FDP zusätzlich auch die Ausnahmen für Flüchtlinge. Die Linke und die Grünen wollen den Mindestlohn erhöhen.

Bei den meisten Parteien findet sich der Hinweis auf den Fachkräftemangel. CDU/CSU, SPD und AfD wollen das berufsbegleitende Ausbildungssystem stärken. Die Grünen fordern eine „Fachkräfteallianz“ zwischen Staat und Wirtschaft zugunsten „kohlenstoffarmer Betriebe“. Die FDP setzt bei dem Thema hingegen darauf, Arbeitnehmer länger im Beruf zu halten, etwa durch die Abschaffung von Hinzuverdienstgrenzen neben der Rente.

Bei der Linken springt einem die Forderung nach einer „Anti- Stress-Verordnung“ und ein „individuelles Veto-Recht gegen Überlastung“ ins Auge. Die AfD fordert eine gesetzliche Obergrenze von 15 Prozent Beschäftigten mit Leih- und Werkverträgen.

Eine Tabelle mit den genauen Forderungen aller Parteien zu den genannten vier Themenbereichen finden Sie in der untenstehenden PDF-Datei.
Tobias Schweikl

Kommentar:

An den Rändern wollen alle mehr Staat

Eine der überraschendsten Erkenntnisse nach der Analyse der Parteiprogramme zur Bundestagswahl 2017? Die Parteien am linken und rechten Rand, also die Linke und die AfD, sind sich in mancher Hinsicht ähnlicher, als sie es vielleicht selber wahrhaben wollen. Beide lehnen Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA ab und fordern eine Art „Germany first“. Die AfD nennt es „Wahrnehmung deutscher Wirtschaftsinteressen“, die Linke bezeichnet es politisch korrekter als „stärkere Konzentration auf den Binnenmarkt“.

Beide Parteien meinen damit staatliche Eingriffe in die Marktwirtschaft: sei es durch einen „Zukunftsfonds“ für den Umbau der Industrie (Die Linke); sei es durch die staatliche Kontrolle von Firmenübernahmen, wenn „deutsche Interessen“ in Gefahr sind (AfD).

Bei der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur ein ähnliches Bild. Sowohl die Linke als auch die AfD lehnen private Finanzierungen von Infrastrukturprojekten ab. Und auch beim Thema Arbeit und Arbeitszeit drohen beide Parteien mit staatlichen Regulierungen. Die Linke will einen deutlich höheren Mindestlohn, geringere Arbeitszeiten und mehr Arbeitnehmermitbestimmung verordnen, die AfD will eine gesetzliche Obergrenze für Beschäftigte mit Leih- oder Werkverträgen. Man kann nur hoffen, dass sich 28 Jahre nach dem Mauerfall noch genügend Wähler daran erinnern, wohin zu viel staatliche Lenkung geführt hat.

Tobias Schweikl Chefredakteur LOGISTRA

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